ALTE SCHLÖSSCHEN

Das „Alte Schlösschen

Das „Alte Schloss“ kennt man in Erlensee-Rückingen heutzutage als Schlösschen. Das sogenannte „Schlösschen“ in der Hauptstraße und die ehemalige Burganlage „An der Wasserburg“ zählen zu den ältesten noch erhaltenen Gebäuden in Erlensee. Der sogenannte „Herrenhof“, ein Landschloss aus dem 18. Jahrhundert, existiert hingegen nur noch als Strassennamen. Rückingen war Reichsland und bis in die Frühe Neuzeit von Reichsministerialen bzw. Reichsrittern bewohnt gewesen, nämlich von den Familien derer von Rückingen und von Rüdigheim. Diese stellten die Besatzung der Wasserburg. Die Ritter wohnten nicht in der Burg, sondern siedelten sich außerhalb in der Vorburg an – den alten Ortskern von Rückingen. Die Häuser dieser Familien standen am Ostrand der alten Siedlung, deren Mittelpunkt die 1311 erstmals erwähnte Kapelle war.

Historische Aufnahme der Hauptstraße in Rückingen

Die mittelalterliche Kapelle, die 1604 zu einer lutherischen Schlosskirche umgebaut worden war, stand direkt vor der kleinen Residenz. Im dem einflügeligen Gebäude mit Treppenturm wohnten die Adligen von Rückingen, während die v. Rüdigheim im nur wenige Meter entfernten „Herrenhof“ lebten. Letztgenannter wurde im Jahre 1909 abgerissen. Der Hauptflügel des „Schlösschens“ entstammt in seinen massiven Teilen (Keller, Teile des Erdgeschosses und Treppenturm) der Zeit um 1564, könnte aber älter sein. Nach großen Kriegszerstörungen im Dreißigjährigen Krieg errichtete man 1657 den heute noch vorhandenen Fachwerkteil des Erdgeschosses sowie das Obergeschoss und das Dachwerk neu. Der östliche Seitenflügel entstand 1713 unter der Familie von Fargel und wurde später im Innern vielfach umgebaut. Zeitgenössische Berichte nannten es kurz das „Alte Schloss“. Das „Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler Hessen“ von Georg Dehio bezeichnet das Gebäude mit seinem Fachwerkobergeschoss als einen „malerischen Wirtschaftsbau“, da es nach dem Aussterben derer v. Rückingen anderen Verwendungen zugeführt wurde. So war hier zum Beispiel zeitweise die Gemeindeverwaltung untergebracht gewesen.
Am Seitenflügel des „Schlösschens“ wurde 1877 das erste Schulhaus der heutigen Grundschule angebaut. Auch wurden einige Räume als Kindergarten genutzt. Der Gewölbekeller im ältesten Teil der Anlage diente im 2. Weltkrieg als Luftschutzbunker. In den Räumen darüber waren zuletzt Sozialwohnungen eingerichtet gewesen.

Sanierung des Rückinger Schlösschens

Die Schule in Rückingen im Jahre 1877

Mit finanzieller Unterstützung des Bund-Länderprogramms „Soziale Stadt“ wurde das „Schlösschen“ zwischen 2006 und 2009 baugeschichtlich dokumentiert und komplett saniert. Das Projekt „Soziale Stadt“ selbst startete 1999 mit der Erstellung einer Rahmenplanung unter Beteiligung der Bürger, der Politik und der Verbände. Mit der Umgestaltung des Umfeldes der Wasserburg im Jahre 2003, des Quartiers der Kastellstraße, mit dem Rückbau der Leipziger Straße und dem benachbarten Römer-Spielplatz wurden zuvor schon einige für die Ortsgeschichte bedeutende Plätze einer neuen Nutzung zugeführt. Der Limeskreisel und das Projekt Schlösschen folgten. 2009 waren die Arbeiten am „Schlösschen“ beendet. Heute dient der Seitenflügel des historischen Gebäudes der benachbarten Grundschule als Aula und Arbeitsräume, während die Räume im vorderen, älteren Teil von Vereinen genutzt werden.

Im Dornröschenschlaf | Erzählung von Marion Walter

Das Schlösschen in Rückingen vor 1940

Dies ist kein Märchen, wir haben in unserem Ortsteil Rückingen ein Schlösschen, liebevoll „Schlössi“ genannt.
Nun ist es schon vor langer Zeit eingeschlafen. Es hat schon arg gelitten. Es ist an der Zeit, es aufzuwecken und es soll wieder hergerichtet werden. Dazu braucht man Geld, Menschen mit guten Ideen, Idealismus und Durchhaltevermögen. Wie war das noch zu meiner Zeit im Schlösschen?

Schulteil des Schlösschens mit Schulhof

Geboren wurde ich 1946 in einer der oberen bescheidenen Wohnungen. Hier lebten drei Generationen zusammen. So war das auch in den anderen Wohnungen. Es war selbstverständlich, dass Alt und Jung zusammen lebten und füreinander sorgten. Die Zimmer waren nicht groß, umso wichtiger war der Blick nach draußen. Vom Küchenfenster aus sahen wir direkt auf den Schulhof der angrenzenden Schule. In den Pausen ging es dort lebhaft zu. Schräg gegenüber war das Kino. Einen Fernseher besaßen wir nicht, da war ein Kinobesuch eine willkommene Abwechslung. Im Schlösschen und natürlich unsere Wohnung wurde mit Holz und Kohle geheizt, die wir mühsam die langen Treppen vom Keller nach oben holten. Toiletten gab es im Hof, ein einfaches Plumpsklo, die Familien hatten dazu einen Schlüssel. Im Waschhaus daneben wurde die Wäsche gekocht und gewaschen. Getrocknet wurde sie im Hof oder auf dem großen Dachboden. Jede Familie hatte einen Keller und einen kleinen Garten, der damals noch nicht von einer Mauer umgeben war, zur Herrengartenstraße. Dieses Gärtchen war unser ganzer Stolz – es gab einen Fliederbaum, einen Zwetschgenbaum, Beeren, Gemüse, Hühner und eine kleine Hütte. Der Schlosshof diente uns Kindern als Spielplatz und die Erwachsenen saßen in ihrer freien Zeit zusammen und erzählten. Als ich vierzehn Jahre alt war, erfüllte sich unserer Familie der Traum vom eigenen Haus. So wie wir verließen immer mehr Mieter das Schlösschen, und nach und nach wurde es immer weniger bewohnt. Jetzt stehen die Chancen gut, dass sich etwas verändert. Die Planung ist in vollem Gange. Ein Märchen kann wahr werden, wenn das Schlösschen als ein Teil unserer Ortsgeschichte als Heimat und Identität erhalten bleibt und sich wieder mit Leben füllt.

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