850 JAHRE ORTSNAME RÜCKINGEN – EIN GRUND ZUM FEIERN?

Im Jahr 1173 erstmals als „Rukkingin“ urkundlich erwähnt: Unbestritten erlebte der kleinste Ortsteil von Erlensee viele Veränderungsprozesse während seiner Geschichte. Dabei war und ist es nicht der Ort, der die Menschen prägt, sondern die Menschen sind es, die den Charme einer Gemeinde ausmachen. Und sind wir ehrlich, die erste Urkunde die uns in die Wiege gelegt wird, ist die Geburtsurkunde.
Ähnlich ist es mit Dietrich, auf lateinisch Theodericus genannt. Dass sein Name den Anfang einer Siedlung markiert, ist reiner Zufall. Dietrich reiht sich ein in eine lange Kette von Frauen und Männern, die sich nach ihrem Wohnort benannt haben. Immerhin erzählt seine Anwesenheit ein klein wenig über die Anfangszeit der Siedlung. In der besagten Urkunde tritt Dietrich als Zeuge bei einer Eigentumsübertragung auf, die vom Konvent des Klosters Selbold an das Frauenstift in Meerholz getätigt wird. Primär handelt das Dokument von Herrschaftsrechten und den daraus erzielten Abgaben und Steuern in Altwiedermus, in Gründau-Lieblos, Niedergründau, Rothenbergen und Gelnhausen-Haitz. Der Namenszusatz „von Rückingen“ ist als „wohnhaft in“ zu lesen und noch keine adelige Namensgebung, wie es in späteren Zeiten innerhalb seiner Berufsgruppe allgemein üblich wird. Dietrich war ein königlicher Dienstmann. Der Ort selbst war im Hochmittelalter das Zentrum einer Grundherrschaft mit einem Verwaltungshof. Dietrichs genaue Dienstposition oder die seiner Vorfahren sind nicht überliefert. Zeitgleich mit ihm treffen wir überall im Kinzigtal auf seine Berufskollegen. Es ist die Zeit als Friedrich Barbarossa, römisch-deutscher König und Kaiser des römisch-deutschen Reiches den Auftrag zum Bau der Kaiserpfalz in Gelnhausen gibt. Leute wie Dietrich waren für die innere Organisation und die Sicherheit zuständig. Vielleicht war er Vogt in der damaligen Gerichtsorganisation Gründau oder Zehntgraf am Selbolder Hochgericht? Zur Burgbesatzung in Rückingen gehörte er jedenfalls nicht. Die Burg, in der heute Heimatmuseum und Büro des Geschichtsvereins Erlensee e.V. untergebracht sind, wird erstmals 1248, also 75 Jahre nach Dietrich urkundlich erwähnt. Freilich dürfen wir eine ältere Vorgängersiedlung annehmen. Als „Ruckungen“ ist der Platz schon im Jahr 1135 nachweisbar. Leider wird dieses Erstnennungsdatum von der hessischen Staatskanzlei nicht anerkannt, denn es fehlt eine wissenschaftliche Auswertung mit historisch-kritischen Methoden. Oder mit anderen Worten. Es fehlt der Geburtsnachweis des darin genannten Johannes von Rückingen.
Erst mit Dietrichs Erben wächst der Bestand an verlässlichen und teilweise auch erforschten Nachrichten. So musste beispielsweise sein Enkel dem Mainzer Chorherrenstift St. Mariengreden neu erschlossenes Kulturland abtreten, das sein Vater im Wald bei Hanau roden ließ. Insbesondere in den Jahren von 1190 bis 1220/24 vergrößert sich das Siedlungsgebiet zwischen Fallbach und Kinzig rasant. Unter dem Lehnsherrn Werner von Bolanden, dem direkten Vorgesetzten der hier angesiedelten Dienstleute, reifen erste Pläne, die Grundversorgung und Wirtschaftsstrukturen weiter auszubauen, wie indirekt aus seinem Schriftverkehr hervorgeht. Mit dem Ende der staufischen Königsmacht, 1246/50, beginnt der Umbau der Gebietsverwaltung. Rückingen ist jetzt Teil der Gerichtsorganisation Langendiebach mit dem neuen Verwaltungsmittelpunkt Burg Ronneburg. Die aufgelassene „Burgstatt mit Vorhof“ erhalten Dietrichs Nachfahren zum Lehen, was sie sich im Jahr 1324 schriftlich bestätigen lassen. 1324 ist dann auch das eigentliche Geburtsjahr der Gemeinde Rückingen. Denn mit diesem Dokument wird der Ort erstmals als eigenständige Siedlung anerkannt. (jöho)

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